Gebbeken: "Wir setzen die richtigen Akzente, vor allem bei Kinderbetreung und Schulen, bei Wohnraumbeschaffung und beim Klimaschutz"

Stadtrat verabschiedet Haushaltsplan mit großer Mehrheit

Lingen – In der Ratssitzung am Donnerstagnachmittag wurde mit den Stimmen der CDU/FDP-Gruppe gegen die Stimmen aller anderen Fraktionen der Haushaltsplan der Stadt Lingen (Ems) für das Jahr 2023 verabschiedet. Der haushalts- und finanzpolitische Sprecher der CDU-Stadtratsfraktion, Hermann Gebbeken, hat mit folgender Stellungnahme die Zustimmung seiner Fraktion begründet:

 

 

"Heute wollen wir den Haushalt 2023 für die Stadt Lingen verabschieden.


Zu Beginn der Beratungen, da waren wir uns im Finanzausschuss über die Fraktionen hinweg grundsätzlich einig, hatten wir das Ziel formuliert, für das Jahr 2023 einen Haushalt zu verabschieden, der Rat und Verwaltung finanzpolitisch ein Stück weit „durchschnaufen“ lässt. Ich erinnere daran: zum 31.12.2021 sind im Jahresabschluss Haushaltsausgabereste im Finanzhaushalt von 37,9 Mio. € gebildet worden. Für das Jahr 2022 haben wir gemeinsam Investitionen i.H.v. 31,1 Mio. € veranschlagt. Damit standen im letzten Jahr investiv Haushaltsmittel im Umfang von 69 Mio. € zur Verfügung. Eine stolze Zahl, die aber natürlich auch entsprechende Projekte und Maßnahmen beschreibt, die alle umgesetzt werden sollen und müssen.


Diese Zurückhaltung bei den Ansätzen ist uns im Finanzhaushalt zumindest zum Teil gelungen.

Wir haben für das Jahr 2023 Auszahlungen für Investitionen i.H.v. 25,9 Mio. € geplant. Sicherlich ein immer noch hoher Betrag, aber im Vergleich zu den Ansätzen 2021 und 2022 durchaus ein Rückgang. Dies ist ein kleiner Schritt, die hohen Haushaltsreste abzubauen und wir kommen damit auch der Forderung des Landesrechnungshofes nach.
Der Ergebnishaushalt schließt ab mit einem Defizit von 8,9 Mio. €. Auf den ersten Blick beunruhigt ein solches Ergebnis sicher. Schaut man aber etwas genauer hin, dann relativiert sich das Ganze.


Wir können das geplante Defizit ausgleichen durch unsere Überschussrücklage, die zum 31.12.2021 bereits 59 Mio. € beträgt. Damit tritt genau das ein, was wir in den vergangenen Jahren immer deutlich gemacht haben. Die guten Jahresergebnisse versetzen uns in die Lage, auch mal ein größeres Defizit ausgleichen zu können.
Viel entscheidender für die Beurteilung des Defizites ist die Frage, wie das Ergebnis eigentlich zustande gekommen ist. Und da hilft ein Blick auf die Deckungsmittel, unsere Einnahmen.

 

Bei der Gewerbesteuer haben wir einen Ansatz von 38 Mio. €. Für den einen oder anderen möglicherweise ein sehr optimistischer Ansatz.


Aber bereits bei der letzten Sitzung des Finanzausschusses konnte die Kämmerin ein Anordnungssoll von 37,9 Mio. € bekanntgeben. Natürlich sind wir jetzt noch sehr früh im Jahr, aber dieser Betrag zeigt, dass unsere örtliche Wirtschaft nach wie vor sehr robust und gut aufgestellt ist. Ich wiederhole mich da gerne: die Standortpolitik der letzten Jahre macht sich hier bezahlt.


Den Grund für unser Defizit finden wir, wenn wir etwas weiter schauen, und zwar bei den Schlüsselzuweisungen des Land Niedersachsen. In diesem Jahr können wir hier keinen einzigen Euro veranschlagen. In den Vorjahren war es noch etwa 15 Mio. € p.a., in der Mittelfristplanung ab 2024 über 20 Mio. € pro Jahr. Der Grund hierfür sind unsere sehr guten Gewerbesteuereinnahmen im letzten Jahr und da greift dann die Umlagesystematik. Man mag das bedauern, aber letztlich ist der Finanzausgleich schon ein vernünftiges Mittel.


Im Wissen um diese Fakten, und das habe ich angedeutet, relativiert sich das Defizit im Ergebnishaushalt ganz erheblich.

 

Was sind nun die wesentlichen Eckpunkte im vorliegenden Haushalt, wo setzen wir als CDU-Fraktion bzw. CDU-FDP-Gruppe unsere Schwerpunkte?


Ein wesentlicher Teil ist wie in den Vorjahren der Bereich Schule und Kindertagesstätten. Dies wird vor allem im Ergebnishaushalt deutlich. Für die Bereiche Schule und Kinderbetreuung ist ein Budgetbedarf von 20,7 Mio. € veranschlagt, das sind etwa 51% des gesamten Fachbudgets im Haushalt. Besonders die Aufwendungen für die Kindertagesstätten sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen, da die Nachfrage nach Betreuungsplätzen unverändert hoch ist. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass der Landkreis Emsland Anfang März beschlossen hat, seine bisherigen Leistungen für die Kindertagesstätte um 20% zu erhöhen. Diesen Beschluss begrüßen wir ausdrücklich, er ist notwendig und richtig. Die Städte und Gemeinden im Landkreis leisten mit großem finanziellem Aufwand einen wesentlichen Beitrag für die Kinderbetreuung, sei es durch eigene Einrichtungen oder durch die Defizitabdeckung bei den freien Trägern. Die in den letzten Jahren deutlich gestiegenen Kosten werden mit den 20% ein Stück weit abgefedert. Im vorliegenden Plan 2023 konnte die Entlastung durch den Landkreis noch nicht berücksichtigt werden, da wir bereits Mitte Februar abschließend beraten haben. Aber es geht natürlich nichts verloren, das Jahresergebnis verbessert sich, ich komme noch darauf zurück.


Nicht nur die laufenden Mittel für Schule und Kindertagesstätten, auch die Investitionen in diesen Bereichen sind erheblich, 4,6 Mio. € für Schulen und 1,8 Mio. € für Kindertagesstätten und Spielplätze. Damit stellen wir sicher, dass unsere Schulen – Grundschulen und Sekundarbereich 1 – gut aufgestellt und ausgestattet sind. Gleichzeitig schaffen wir gemeinsam mit freien Trägern aber auch zunehmend in eigenen Einrichtungen weiter dringend benötigte Betreuungsplätze für unsere Kinder. Ein wichtiger Standortfaktor für die Stadt Lingen.


An diesem Punkt knüpfen wir – die CDU/FDP-Gruppe – an mit einem Antrag zur Familienpolitik. Wir haben vorgeschlagen, die Förderung der Familien in der Stadt Lingen insgesamt neu zu gestalten und den aktuellen Bedürfnissen anzupassen.


Unser familienpolitisches Programm ist ohne Frage ein gutes Instrument, um Familien an vielen unterschiedlichen Stellen finanziell zu unterstützen.


Dieses Instrument nutzen wir seit vielen Jahren, es ist vielleicht an der einen oder anderen Stelle ein wenig in die Jahre gekommen. In der Vergangenheit wurden immer wieder Anträge gestellt, das Programm in einzelnen Punkten zu ändern bzw. zu ergänzen.


Wir halten es für sinnvoll, die Familienförderung insgesamt zu betrachten, dort wo notwendig neu zu ordnen und an aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen anzupassen. Unser Ziel ist es, die Familien zielgenauer, schneller und einfacher dort zu erreichen, wo es notwendig ist. Ausdrücklich einbeziehen wollen wir die Frage der Förderung von Mittagessen in Schule und Kindertagesstätte, ein Thema, das die SPD-Fraktion auf die Tagesordnung gebracht hat. Für dieses Projekt ist ein Betrag von 750.000 € vorgesehen. Wir laden alle Ratsmitglieder ein, in einem Workshop nach Vorbereitung durch die Verwaltung an dem Thema mitzuarbeiten.

 

Zum Thema Förderung der Familien haben wir einen weiteren Antrag eingebracht. Neben den beschriebenen Investitionen für Kindertagesstätten sorgt auch die Kindertagespflege für eine gute Betreuungssituation und ergänzt das System. Wir haben vorgeschlagen, den Abrechnungssatz in diesem Segment von bisher 5€ pro Stunde und Kind auf zukünftig 6€ zu erhöhen. Nach verschiedenen – auch rechtlichen – Änderungen, wird die bisherige Refinanzierung der aktuellen Kostenstruktur nicht mehr gerecht. Hier wollen wir zeitnah gegensteuern.

 

Neben dem Bereich Bildung und Betreuung ist das Thema Wohnraumversorgung für eine wachsende Stadt wir Lingen natürlich ein Schwerpunkt. In der Ratssitzung im Februar haben wir die Fortschreibung des Wohnraumversorgungskonzeptes aus dem Jahr 2016 beschlossen. Als Fazit wird in der Fortschreibung festgehalten, dass in unserer Stadt in den nächsten Jahren weiter große Nachfrage nach Wohnraum besteht. Dies sowohl im traditionellen Segment der Einfamilienhäuser als auch bei Mietwohnungen und neuen Wohnformen.


Ein wesentlicher Bereich ist dabei der bezahlbare Wohnraum. Und hier geht es, das möchte ich ausdrücklich festhalten, nicht nur um Empfänger staatlicher Transferleistungen, sondern auch um alleinerziehende Mütter oder Väter, um Berufsanfänger, eben um alle diejenigen, die aufgrund niedriger Einkünfte Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein haben.


Das Thema bezahlbares Wohnen decken wir seit einigen Jahren ab mit der LWB, Lingener Wohnbaugenossenschaft. Das erste Bauprojekt am Brockhauser Weg ist mit 74 Wohnungen im Jahr 2020 fertiggestellt worden und war ein voller Erfolg. Aktuell wird das zweite Projekt an der Diekstrasse realisiert.


Aufgrund der weiterhin starken Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum ist es aus Sicht der CDU/FDP-Gruppe notwendig, dass die LWB ein drittes Bauprojekt in Angriff nimmt. Dazu wollen wir die LWB mit zusätzlichem Eigenkapital ausstatten und schlagen vor, dass die Stadt weitere Genossenschaftsanteile i.H.v. 1,25 Mio. € erwirbt. Diese Eigenkapitalstärkung durch die Stadt Lingen ist notwendig, da durch das gestiegene Zinsniveau privates Kapital zunehmend schwierig einzuwerben ist.


Insgesamt arbeiten wir so an einer ausgewogenen Wohnraumversorgung in unserer Stadt, wie es in der Fortschreibung des Konzeptes gefordert wird: Ausweis von Wohnbaugebieten, Genehmigung von Neubauten größerer Mietobjekte durch private Investoren und bezahlbarer Wohnraum durch die LWB. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle einmal ausdrücklich bei Monika Schwegmann und Lothar Schreinemacher, die als Vorstand der LWB neben ihrer Dezernententätigkeit wertvolle Arbeit leisten.

 

Einen dritten Schwerpunkt möchte ich nennen, das Thema Kilmaschutz. Im letzten Jahr habe ich verschiedene Einzelmaßnahmen aus dem Klimaschutzkonzept angeführt. Für den Haushalt 2023 steht das Thema Photovoltaik oben auf der Agenda.


Dies wird bei einem genauen Blick auf die Haushaltszahlen sehr deutlich. Im Kalenderjahr 2022 haben wir im Finanzhaushalt für die Installation von Photovoltaikanlagen auf städtischen Gebäuden einen Betrag von 390.000 € veranschlagt. Für das laufende Jahr 2023 ist das Investitionsvolumen noch mal gesteigert, es sind 440.000 € vorgesehen.


Dies ist jedoch nur der Kernhaushalt. Für die Errichtung und den Betrieb einer Photovoltaikanlage auf der Emsland-Arena konnte mit unseren Stadtwerken eine Vereinbarung abgeschlossen werden, nach der die Stadtwerke Lingen eine Anlage mit einer Gesamtleistung von 414 kWp installieren und betreiben. Auf „neu-deutsch“ eine Win-Win-Situation. Der Eigenbetrieb Emslandhalle erhält eine langfristige gesicherte Pacht und kann den erzeugten Solarstrom zum Teil selbst nutzen. Auf der anderen Seite können die Stadtwerke als Grundversorger neue Geschäftsfelder erschließen und damit die finanzielle Situation stärken, was letztlich unseren Bürgern als Kunden aber auch der Stadt Lingen zugutekommt.


Unter dem Strich wird deutlich, dass wir als Stadt Lingen das Thema Photovoltaik auf der Agenda haben und mittlerweile einen deutlichen Beitrag zur Energiewende leisten.

 

Natürlich gilt auch hier: mehr geht immer! Wir sollten gemeinsam weiter nach praktikablen Lösungen für Photovoltaik suchen; neben der Installation auf Dachflächen sind auch Überdachung von Parkplätzen oder Radwegen denkbar. Und das Thema Freiflächen-Photovoltaik kommt natürlich noch dazu. Bei aller Euphorie ist aber die Finanzierung der Investitionen nicht außer Acht zu lassen.

 

Und damit schließt sich der Kreis und es gilt, noch mal einen gedanklichen Strich unter das Zahlenwerk zu ziehen.
Der Ergebnishaushalt schließt ab mit einem Defizit von 8,9 Mio. €. Dieses Defizit können wir durch die Überschussrücklage ausgleichen.


Der Finanzhaushalt, d.h. die vorgesehenen Investitionen erfordern eine netto-Neuverschuldung lt. Plan i.H.v. 12,9 Mio. €. Wir halten diesen Betrag mit Blick auf die notwendigen wichtigen Investitionen – das möchte ich ausdrücklich festhalten – für verantwortbar. Und das ist nicht nur so daher gesagt, sondern die finanzielle Entwicklung der letzten Jahre gibt uns da Recht.


Wir haben in den Jahren 2017 bis 2021 Kreditermächtigungen im Gesamtumfang von 58 Mio. € veranschlagt. Tatsächlich in Anspruch genommen haben wir davon bislang keinen einzigen Euro.


Die Ermächtigungen der Jahre 2017 bis 2020 sind formal untergegangen und auch die Ermächtigung für das Jahr 2021 kann aufgrund des guten Ergebnisses 2022 aller Voraussicht nach wegfallen. Die Verschuldung im Kernhaushalt konnte durch die ordentliche Tilgung im Zeitraum 2016 bis 2021 von 32,6 Mio. auf 24,9 Mio. zurückgeführt werden. An dieser Stelle wird deutlich, dass wir trotz zum Teil schwieriger Planzahlen nach wie vor finanziell gut aufgestellt sind und die für 2023 veranschlagte Neuverschuldung durchaus verantwortbar ist.


Wir gehen davon aus, dass auch das Jahresergebnis 2023 besser sein wird als der vorliegende Plan, bei den Kindertagesstätten habe ich schon davon gesprochen. Aller Voraussicht nach werden Entnahme aus der Rücklage und Kreditbedarf damit deutlich niedriger als geplant.

 

An dieser Stelle spreche ich wie im Vorjahr noch ein Thema an, dass unseren Haushalt beeinflusst, aber im Kern für die direkt betroffenen Menschen viel schlimmere Auswirkungen hat, der Krieg in der Ukraine. Wir alle haben im letzten Jahr um diese Zeit gehofft, dass dieser Krieg schnell vorbei ist, leider dauert er auch heute an.
Von daher ist es gut, dass wir die notwendigen Mittel bereitstellen, um die Flüchtlinge, die nach Lingen kommen, angemessen zu unterstützen.


Im Finanzausschuss bestand Einigkeit, die Mittel für die Ukraine-Hilfe zu erhöhen. Wir haben auf Antrag der CDU-Fraktion zusätzliche Mittel i.H.v. 25.000 € für Sprachkurse der VHS bereitgestellt. Auf Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Grüne stellen wir weitere 25.000 € für die Städtepartnerschaft mit der Stadt Lanivtsi bereit, dies zur Nutzung des Bundesprogramms, so dass Gesamtmittel von 250.000 € zur Verfügung stehen. Betrachtet man den Krieg mit seinen Folgen, ist das vielleicht nur der berühmte „Tropfen auf dem heißen Stein“. Aber auch die kleinste Hilfe ist wichtig. Wir als Stadt Lingen leisten unseren Beitrag, die Not der Betroffenen ein wenig zu lindern. Und dies vor allem mit Unterstützung des Freundeskreises der Ukraine-Fahrer, dafür ein herzliches Dankeschön.

 

Der Haushalt 2023 für die Stadt Lingen: wir setzten die richtigen Akzente bei den entscheidenden Themen zur Entwicklung unserer Stadt. Ich habe sie beschrieben: Kinderbetreuung und Schule, Schaffung von Wohnraum für unterschiedliche Bedarfe und Beitrag zur Energiewende Schwerpunkt Photovoltaik.

 

Zum Schluss meiner Ausführungen möchte ich mich bedanken. Der Dank gilt unserer Kämmerin Monika Schwegmann und ihrem Team. Ihr habt das umfangreiche Zahlenwerk erarbeitet und die Beratungen im Finanzausschuss professionell vorbereitet. Herzlichen Dank!


Wir haben auch in diesem Jahr in den Beratungen im Finanzausschuss sachlich fair diskutiert. Wir haben Kompromisse gefunden und der eine oder andere Vorschlag der Minderheitsfraktionen findet sich im Haushalt wieder. Daher würde ich mich freuen, wenn wir heute eine deutliche Mehrheit für das Zahlenwerk bekommen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!"